8 – 12 Dezember 2013 im Literaturhaus München Leitung: Ulf Stolterfoht und Marie Luise Knott 

 

zur Ausschreibung

Literaturhaus München

 

„Ich weiß nicht, was Gedichte sind“, sagt Oskar Pastior. Und natürlich richtet sich dieser Satz, weit entfernt von jeder Koketterie, gegen die Anmaßung einer allgemein gültigen Definition für etwas, das doch immer erst in seiner jeweiligen Realisierung zu dem wird, was es dann „tatsächlich“ ist: ein Gedicht. Die Familienähnlichkeit, die uns dazu bringt, von manchen Texten als Gedichten zu sprechen (und von anderen eher nicht), besteht in deren besonderer Strukturiertheit oder besser, in der Organisiertheit dieser Texte: alle sind sie in einem engeren oder weiteren Sinn regelgeleitet.
Die Lyrikgeschichte als Geschichte sich wandelnder Regelsysteme, von Sappho über Edda- und Skaldendichtung, Barock, deutsche Klassik, frühe Avantgarden, Lautpoesie bis hin zu Oulipo: Regeln, Regeln, Regeln. Und auch wenn diese Korsette unterschiedlich eng sein mögen: Stabreim vs. Endreim, Hexameter vs. Blankvers, Sonett vs. Anagramm – es bleiben Korsette. Hinzu kommen die verdeckten Regeln des Klangs, die ein Gedicht im Hörensagen imprägnieren.
Für Übersetzer enthalten diese Regelbindungen lauter Fragen jenseits des Semantischen. Was übersetzt man, wenn man ein Gedicht übersetzt? Den Bauplan? Das, was „dasteht“? Was macht man mit den klanglichen Ereignissen wie Homophonien oder Parallelismen? All diese Themen wollen wir im Seminar an den Übersetzungen der Teilnehmer diskutieren, und zwar an jedem Gedicht aufs Neue, denn: jedes Gedicht hat seine eigenen Fragen.
Geplant ist, dass jeder Teilnehmer ein Übersetzungsprojekt mitbringt und vorstellt, und dass die unterschiedlichen Ebenen – Semantik, Form und Klang sowie deren Interaktion – ausführlich besprochen werden. Dabei werden verschiedene Ansätze debattiert, wie man das Original im Deutschen reproduzieren kann.
Referenten von außen werden langjährige Erfahrungen beisteuern.